Das Schloss Château de Sibra liegt in der Nähe von Carcassonne am Fuße der französischen Pyrenäen inmitten eines weitläufigen Landschaftsparks. Wie mir die neue Besitzerin, die Schweizer Architektin Sibylle Thomke mitteilte, war es dieser Park, der sie zuerst berührte und begeisterte.
Der 15 ha große Park wurde um 1880 als Landschaftspark im englischen Stil angelegt und beherbergt eine Sammlung verschiedener exotischer Bäume, romantische Bauten, künstliche Grotten und Ruinen sowie einen Teich, in dem sich das Schloss spiegelt. Im Laufe der Jahreszeiten ergeben sich unterschiedliche Perspektiven und Farbharmonien. So bietet ein Gang durch den Park immer neue Ausblicke und Eindrücke und lädt zum Verweilen und Sinnieren ein. Diese Vielfalt der Sinneseindrücke hat Frau Thomke schließlich dazu animiert Park und Schloss zu kaufen.
Sodann recherchierte sie über die Geschichte des Ortes. Sie reicht mindestens bis ins 13. Jahrhundert zurück, als das Gelände zum Kloster Camon gehörte. 1597 wurde das Herrschaftsgebiet an die Familie von Louis de Saint-George verkauft. Durch die Geschehnisse während der französischen Revolution verarmt, verkaufte die Familie den Besitz an Pierre Espert, Marschall des Kaiserreichs. Dieser legte den Grundstein für das heutige Schlossgebäude. Seine jetzige Gestalt erhielt das Schloss allerdings ab 1878 durch den folgenden Besitzer; Joseph Villary. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der fünf Jahre zuvor die Konzession für eine Eisenbahnlinie erhalten hatte. Man nannte ihn Villary de Fajac, den Eisenbahnbaron.
Frau Thomke hat sich, wie sie mir erzählte, mit dem Schloss und seinen Nebengebäuden “angefreundet”, als sie der Einheit von Park und Schloss gewahr wurde, denn auch im Schloss selbst ist der fantasievoll-romantische Geist Villary de Fajacs spürbar. Er beauftragte ab 1878 einen Toulouser Architekten, die alte Festung komplett umzugestalten. Inspirationen wurden aus verschiedenen Architekturstilen geschöpft. Das Hauptgebäude bekam vier verschiedene mittelalterlich anmutende Türme und Fensterrahmen mit Büsten im Renaissancestil.
Auch im Innern herrscht verspielter Prunk. Gemalte Wandteppiche im Esszimmer stellen Jagdszenen dar, auf denen die Besitzer in Renaissancekostümen hoch zu Ross dargestellt sind. Bemalte Glasfenster, Terrakotta-Kamine, Fußböden aus Terrazzo und Steinzeug- sowie Zementfliesen wurden bei namhaften Firmen in Auftrag gegeben.
Bei der Renovierung nahm Frau Thomke die Herausforderung an Schützenswertes zu erhalten ohne museal zu sein. Für den Salon im zweiten Stock fertigte die Kölner Firma Mosáico Zementfliesen in der eigenen Manufaktur in Marrakesch getreue Repliken der historischen Bodenfliesen. Einen ausführlichen Bericht über die “Königsklasse” der Zementfliesenherstellung für dieses Projekt finden Sie in meinem vorigen Beitrag. Das originale Tapetenmuster wurde auf einer historischen Druckmaschine in Schweden nachgedruckt. Frau Thomke hat den Geist Villary de Fajacs übernommen und mit modernen Möbeln und aktueller Kunst einen weiteren Stil hinzugefügt. So ist ein Spannungsfeld zwischen traditionellem Erbe und zeitgenössischem Design entstanden.
Heute stehen für Gäste im Schloss fünf individuell möblierte, großzügige Zimmer mit eigenem Bad zur Verfügung; in den umliegenden Wirtschaftsgebäuden sind drei Wohnungen sowie ein ganzes Haus zu mieten. Darüberhinaus gibt es eingerichtete Küchen, Workshopräume und verschiedene weitere Gemeinschaftsräume wie einen Salon und eine Bibliothek. Das Schloss und sein Park sind so weitläufig, dass jeder Gast eine Fläche von 5000 m2 zur Verfügung hat.
Frau Thomke hat Château de Sibra zu einem Ort gemacht, an dem die Gäste in einem aussergewöhnlichen Ambiente von atemberaubend schöner Natur und höchstem Komfort zu kreativen Projekten inspiriert werden: zum Malen, Schreiben, Komponieren, Begegnen, Sinnieren, Meditieren, Da-Sein.
Wie zu Zeiten von Villary de Fajac befindet sich Château de Sibra in einer dauernden Weiterentwicklung. Am 18. Juni 2021 war die feierliche (Neu)Eröffnung, die folgenden Kapitel seiner Geschichte werden von Frau Thomke und ihren Gästen gestaltet werden. Wir von Mosáico bedanken uns für das in uns gesetzte Vertrauen und sind stolz unseren Teil zum Wiedererwecken des märchenhaften Ambientes von Sibra beigetragen zu haben.
Alle Fotos sind von Stöh Grünig Photography & Film und wurden von Frau Thomke dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.