Heute möchte ich Sie zu einem kleinen Ausflug in die Botanik einladen. Hier in Andalusien blüht nämlich zur Zeit eine Pflanze, die kunstgeschichtliche Bedeutung erlangt hat. Die mehrjährige krautige Pflanze, Acanthus mollis genannt, bildet einen unverzweigten Blütenstand mit vielen Lippenblüten aus, der eine Höhe von bis zu einem Meter erreichen kann. Am Grund befinden sich 40-60 cm lange und 15 cm breite fiederspaltige Laubblätter.
Diese Blätter regten den griechischen Bildhauer Kallimachus im 5. Jahrhundert v. Chr. an, ein Ornament zu entwerfen, mit dem Säulenabschlüsse – sogenannte Kapitelle – verziert werden konnten. Ihm wird die Erfindung des korinthischen Kapitells und damit des Akanthusornaments zugeschrieben.
Seit dieser Zeit finden Akanthusblätter als Ornament nicht nur in der Architektur Verwendung. Ausserdem wurde die Grundform weiterentwickelt; eine Reihe von Blättern formiert sich zum Akanthusfries, kreisförmig angeordnete Blätter ergeben eine Akanthusrosette und auch Akanthusranken sind in der Kunst – im Gegensatz zur Botanik – weit verbreitet. In die Darstellungen wurden auch artfremde Blüten und Kelche integriert. Besonders die italienische Renaissance ist bekannt für ihre reiche und elegante Ausschmückung.
Diese Stilrichtung war auch im Andalusien des 20. Jahrhunderts wieder beliebt und so finden sich Akanthusranken auf keramischen Fliesengemälden in den Eingängen nobler Stadthäuser.
Auch die Zementfliesen-Fabrikanten entwarfen Muster mit mehr oder weniger realistischen Akanthusabbildungen.
Hat man einmal den Blick geschärft, erkennt man auch in vielen anderen klassischen Zementfliesen Hinweise auf stilisierte Akanthusblätter und -ranken.